Versuch 1.7
Das Szintillationsspektrometer
1. Grundlagen
Szintillationsspektrometer
werden in vielfältiger Weise zum Nachweis und zur Energiebestimmung von
radioaktiven Strahlungen benutzt. Die wichtigsten Bestandteile eines
Szintillationsspektrometers sind:
1. Szintillator
2.
Sekundärelektronenvervielfacher
3.
Hochspannungsversorgung
4. Verstärker
5.
Differentialdiskriminator
6. Zählgerät
Zur Messung von
Gammastrahlung werden vorwiegend NaJ(Tl)-Einkristalle als Szintillatoren
verwendet. Natriumjodid- Einkristalle können gut hergestellt werden; die Zugabe
von Thallium ermöglicht den Einsatz als Szitillator. Fallen Gammastrahlen in
einen derartigen Kristall ein werden durch die bekannten
Wechselwirkungsprozesse:
1. Photoeffekt
2. Comtoneffekt
3. Paareffekt
aus den Atomhüllen der
Kristallmaterie schnelle Elektronen freigesetzt. Beim Photoeffekt wird die
gesamte Energie eines Gammaquants auf ein einzelnes Elektron übertragen. Bei
der Abbremsung entsteht im Kristall ein schwacher Lichtblitz, eine sog. „Szintillation“.
Im Meßkopf eines
Szintillationsspektrometers, kurz im „Szintillationszähler“, wird der
Szintillator auf die lichtempfindliche Photokathode eines
„Sekundärelektronenvervielfachers“(SEV) gesetzt. Abbildung 1 zeigt eine Skizze.
Die Lichtquanten, die sich im glasklaren Szintillator gut ausbreiten können,
gelangen zum Teil auf die Photokathode und bewirken dort die Emission von
„Photoelektronen“. Diese werden durch eine angelegte Beschleunigungsspannung
zur ersten „Dynode“ hin beschleunigt, die wie die anderen Dynoden auch mit
einer Sekundäremissionsschicht belegt ist. Prallt ein Photoelektron auf die
Dynode, werden mehrere Sekundärelektronen freigesetzt, die dann zur zweiten
Dynode hin beschleunigt werden. Auch dort werden Sekundärelektronen freigesetzt.
Bei Verwendung von 10 Dynoden wird die Zahl der ursprünglichen Photoelektronen
etwa um den Faktor 106 verstärkt. Jede Szintilation im Kristall ruft
damit am Arbeitswiderstand der Anode einen Spannungsimpuls hervor.
Der
Szintillaationszähler hat gegenüber dem Geiger-Müller-Zähler einige Voorteile:
1. Die Impulshöhe am
Ausgang des Szintillatilonszählers ist
proportional der Energie des nachgewiesenen Teilchens.
2. Die
Nachweisempfindlichkeit für Gammastrahlung ist gegenübeer dem
Geiger-Müller-Zähler erheblich verbessert.
3. Das zeitliche
auflösungsvermögen ist ebenfalls wesentlich besser; damit können mit dem
Szintillationszähler höhere Impulsraten verarbeitet werden.
Der zuerst genannte
Vorteil ermöglicht die Spektroskopie radioaktiver Strahlungen, d.h. die
Aufnahme der Intensität der Strahlung als Funktion der Energie. Wir werden uns
hier auf die Spektroskopie von Gammastrahlung beschränken, da dies wohl die
häufigste Anwendung ist.
Durch die verschiedenen
Wechselwirkungsprozesse zwischen einfallender Strahlung und dem
Szintillationskristall entstehen -auch bei Einfall exakt monoenergetischer
Gammastrahlung- Elektronen verschiedener Energie, die am Arbeitswiderstand
entsprechend verschiedene Impulshöhen hervorrufen. Es entsteht ein
„Impulshöhenspektrum“. Bei nicht zu komplizierten Srahlenfeldern kann jedoch
trotzdem eindeutig auf die Energie der einfallenden Gammastrahlung geschlossen
werden.
1.1 Photoeffekt
Beim Photoeffekt wird
ein Ekektron aus der Hülle des Getroffenen Atoms Herausgeschlagen. Die gesamte
Energie Wg=h*f
des Gammaquants wird absorbiert, d.h. das Photon verschwindet und an seiner
Stelle tritt das Elektron mit der Kinetischen Energie Wkin,Ph
auf:
Wkin,Ph = h*f - WB
WB ist die
Bindungsenergie des Elektrons. Fast alle Photoeffekt - Prozesse finden in den
innersten Schalen statt, so daß anschießend charakteristische Röntgenstrahlung
emittiert wird. Diese wird jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit sofort wieder
absorbiert; damit entstehen nach Photoeffekten Impulse, deren Amplitude der
gesamten Energie derabsorbierten Gammaquanten entsprechen.
1.2 Comtoneffekt
Unter Comptoneffekt
versteht man den elastischen Stoß zwischen einem Photon (Gammaquant) und einem
quasifreien Elektron. Abbildung 2 zeigt das Shema eines Comton-Prozesses. Das
Gammaquant gibt einen Teil seiner Energie an das Eleltron ab und fliegt mit verminderter
Energie weiter. Da sowohl der Energie- als auch der Impulssatz exakt erfüllt
ist, kann der Comptoneffekt als Analogon zu einem Billiardkugelstoß gesehen
werden. Je nach dem Stzreuwinkel Jist
die Energieabgabe mehr oder weniger groß; es gilt für die kinetische Energie
des „Comptonelektrons“:
Dabei bedeutet die sog.
Reduziete Gammaenergie:
Da der Streuwinkel
zwischen 0° und 180° variiert, schwankt die kinetische Energie der
Comptonelektronen zwischen:
der Componeffekt führt
damit zu erheblichen Komplikationen im Impulshöhenspektrum.
1.3 Paareffekt
Zur Paarbildung muß die
Energie eines Gammaquants größer als die doppelte Ruheenergie eines Elektrons
sein:
Ist diese Bedingung
erfüllt, kann das Gammaquant in ein Elektron-Positron-Paar umgewandelt werden.
Dabei geht der Anteil von 1.02 MeV der Gammaenergie in die Ruhemasse des
Elektron-Positron-Paares über, der Rest in kinetische Energie des Paares.
Beispiel:
die Auswirkung der drei
Effekte auf das Impulshöhenspektrum soll an einem einfachen Beispiel erläutert
werden. Es liege eine monoenergetische Gammastrahlung der Energie Wg = 1,5MeV vor. Dann entsteht das in Abb.3
gezeigte schematische Impulshöhenspektrum.
Linie A entspricht dem Photoeffekt, d.h. der Energie Wg=h*f der Gammaquanten. Es kann auch vorkommen,
daß zuerst ein Comptoneffekt geschieht und das Streuquant anschließend, noch im
Kristall, abermals einen Absorptionsprozeß erleidet. Wird es dabei vollständig
absorbiert, so Überlagern sich die beiden Lichtblitze, da sie praktisch
gleichzeitig entstehen. Infolgedessen entsteht ein Impuls, der der gesamten
Energie des ursprünglichen Gammaquants entspricht und in der „Photolinie“ A
registriert wird.
Die Kurve B stellt die
Auswirkung des Comptoneffekts dar. Es entsteht eine kontinuierliche Verteilung
von der Impuzlshöhe 0 an bis zu einer maximalen Impulshöhe, die der maximalen
Energie der Comptonelektronen entspricht. Dort häufen sich die Impulse etwas,
da bei Streuwinkeln dei J = 180° (Rückstreuung!) der Winkel nicht stark in
Wkin,C eingeht.
Die Linien C und D
gehören zu Paareffekten. Die Linie C liegt erwartungsgemäß bei der Energie Wg=1.02MeV; es tritt jedoch noch eine weitere Linie
bei Wg=0.51MeV auf. Dies kommt folgendermaßen zustande:
Nach einem Paareffekt wird das Elektron-Positron-Paar im Kristall abgebremst;
danach zerstrahlt das Positron mit irgendeinem Hjüllenelektron unter Emission
von zwei Vernichtungsquanten von je 0,51MeV. Entweichen beide
Vernichtungsquanten aus dem Kristall, wird ein Impuls bei der Linie C
registriert, entweicht nur eines, wird durch die Absorption des anderen ein Impuls
bei der Energie Wg=0.51MeV registriert. Es entsteht die Linie D.
Im realen
Impulshöhenspektrum entstehen keine scharfen Linien, sondern mehr oder weniger
breite Verteilungen: Sogenannte „Peaks“. Dies ist eine Folge der statistischen
Natur der Umsetzung der im Kristall absorbierten Energie in elektrische
Impulse. Genauere Untersuchungen haben ergeben, daß die Form der Peaks
tatsächlich Gauß’schen Glockenkurven entspricht. Abbildung 4 zeigt eine
derartige Kurve. Als „Halbwertsbreite“ eines Peaks wird definiert:
2. Beschreibung der
Apparatur.
Zur Aufnahme des
Spektrums muß eine Sortierung der Impulse nach Häufigkeit und Impulshöhe
vorgenommen werden. Dies geschieht in der einfachsten Form im sog.
„Einkanal-Spektrometer“. Abbildung 5 zeigt ein Blockschaltbild.
Zunächst werden die
Spannungsimpulse verstärkt und anschließend auf zwei parallel geschaltete
Integraldiskriminatoren D1 und D2 gegeben. Dies sind Geräte, die lediglich dann
Ausgangsimpulse abgeben, wenn am Eingang die Impulshöhen eine gewisse,
einstellbare Schwelle überschreiten. Möchte man z.B. die Impulshäufigkeit
zwischen den Impulshöhen U1 und U2 messen, werden die Schwellen der beiden
Diuskriminatoren auf U1 und U2 eingestellt. Die Ausgänge werden auf eine
Antikoinzidenzschaltung gegeben,die nur dann Ausgangsimpulse liefert, wenn
entweder von Diskriminator D1 oder D2 ein Impuls ankommt. Treffen gleichzeitig
(etwa innerhalb von 2mSekunden) Impulse von D1 und D2 ein, unterdrückt
die Antikoinzidenz die Weiterleitung. Auf diese Weise werden nur die Impulse
inm Registriergerät gezählt, deren Amplituden zwischen den Spannungen U1 und U2
liegen; siehe Abbildung 6.
Die beiden
Integraldiskriminatoren und die Antikoinzidenzstufe zusammen bilden den sog.
„Differentialdiskriminator“, kurz DD. Das Impulshöhenintervall zwischen U1
undU2 wird „Fenster“ oder „Kanal“ genannt. Die Aufnahme des Spektrums erfolgt
durch Verschieben des Kanals über die gesamte Impulshöhenverteilung und der
Registratur der Impulsraten als Funktion der Kanallage.
Im einfachsten Fall
geschieht das Verschieben des Fensters von Hand durch Einstellen eines
Präzisions-Dregpotentiometers; meist wird die „Kanalbreite“ starr eingestellt.
Besser ausgestattete Gräte verschieben den Kanal selbsttätig, z.B.
kontinuierlich und registrieren die Impulsrate mit einem Schreiber. Moderne
Geräte, sog. „Vielkanalspektrometer“ besitzen mehrere hundert parallel
geschaltete Kanäle und können das Spektrum gleichzeitig aufnehmen.
Neben den schon
genannten Bestandteilen eines Szintillationsspektrometers, also
Szintillationszählers, Verstärker, Differentialdiskriminator und
Registriergerät, gehört zur vollständigen Ausstattung ein Oszillograph. Mit
einem Oszillographen kann das Impulshöhenspektrum auf einen Blick übersehen
werden und wichtige Parameter wie die Hochspannunggsversorgung des Meßkopfes
und die Verstärkung geeignet eingestellt werden.
3. Aufgaben
3.1 Für das
Gammastrahlenfeld des Radionuklids Cs-137 ist ein
Einkanal-Szintillationsspektrometer passens zu Justieren.
3.2 Das komplette
Gammaspektrum dieses Nuklids ist durch Verschieben des Kanals der auf eine
konstante Kanalbreite von 1 % des zur Verfügung stehenden Impulshöhenbereichs
eingestellt wird, aufzunehmen.
Beispiel:
Impulshöhenbereich 2 Volt = 2000mV dann Entspricht die Kanalbreite 20mV.)
3.3 Je nach zur
Verfügung stehender Zeit untersuche man folgende Einflüsse:
Einfluß der Kanalbreite auf Lage und Form des
Photopeaks.
Einfluß der Zählrate auf Lage und Form eines
Photopeaks.
Einfluß von Streumaterial auf ein Gesamtspektrum.
Hinweis: Die Meßwerte
trage man sofort in ein Millimeterpapier ein, um das Spektrum sofort
überblicken zu können!!! Als Schrittweite wähle man ein Intervall, das der
Kanalbreite entspricht.
4. Auswertung
Abbildung 7 zeigt das
Impulshöhenspektrum der Gammastrahlung von Cs-137. Dieses Nuklid emittiert
monoenergetische Gammastrahlen der Energie Wg = 0,661 MeV.
In ähnlicher Weise
stelle man die während der Laborübung aufgenommenen Spektren dar und bestimme
bei gut ausgeprägten Photopeaks die Halbwertsbreiten. Man diskutiere die
Spektren ausführlich!
5. Fragen
Mit der Formel in Kap.
1.2 für den Comptoneffekt vergleiche man Experiment und Theorie.
Desgleichen mache man
sich die Lage des Streupeaks klar. Wie kommt er genau zustande?
Welche Rolle spielt der
„Nulleffekt“ bei Spektrometrischen Messungen?
Wann muß u.U. ein
„Nullspektrum“ berücksichtigt werden?
6. Literatur
E. Ffünfer und H.Neuert
Zählrohre und
Szintillationszähler
G. Baum Verlag,
Karlsruhe
K. Fränz
Ein- und
Mehrkanal-Impulshöhenanalysatoren
Atompraxis, Jg. 5,
Oktober 1959, Heft 10/11
Hinweis: Man überlege
sich bei der Vorbereitung des Versuchs zuhause gut den Unterschied bzw. Die
Zusammenhänge zwischen dem Bild der Impulse auf einem Oszillographenschirm und
dem Impulshöhenspektrum wie in Abb. 7!
Abbildung 7: Gammaspektrum der momoenergetischen Strahlung von Cs-137
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Abbildung 8: Wirkungsquerschnitte für Photo-, Compton- und Paareffekt in NaJ(TL) - Kristallen |
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