VERSUCH
1.13
Messung von
nuklidspezifischen Aktivitäten
1. Allgemeines.
Bei
einfachen Aufgabenstellungen eignet sich die Gammaspektroskopie mit NaJ(Tl) - Szintillationszählern für
nuklidspezifische Aktivitätsbestimmungen. Durch die hohe Dichte der NaJ - Kristalle, die relativ hohe Ordnungszahl von Jod
und die Möglichkeit preiswerte
großvolumige NaJ - Kristalle herzustellen ist es
möglich, Gammastrahlungen sehr effektiv nachzuweisen. Sind die Gammaspektren
nicht zu komplex, gestattet die Analyse einzelner gut aufgelöster
Gesamtabsorptionslinien (Peaks) den qualitativen und
quantitativen Nachweis von Radionukliden. Dazu ist es neben einer
Energiekalibrierung nötig, die Nachweiswahrscheinlichkeit des verwendeten Szintillationszählers für Gammastrahlungen als Funktion der
Energie zu kennen.
Unter
Nachweiswahrscheinlichkeit versteht man hierbei die Wahrscheinlichkeit,
mit der die von einer Strahlenquelle in der Nähe des Detektors emmittierten Photonen im Detektor bzw. im Strahlenmeßsystem
einen Impuls in der Gesamtabsorptionslinie hervorrufen. Meist werden die Proben
in bestimmter, für die Erhöhung der Nachweiswahrscheinlichkeit günstiger
Geometrie untersucht. Häufig verwendet wird die Ringschalengeometrie, bei der
die Proben in Ringschalen (Inhalt 250 bis 1000 Milliliter) gefüllt werden, die
dann über die zylinderförmigen Szintillationskristalle
gestülpt werden, siehe Abb. 1.
Zur
Kalibrierung hinsichtlich der Nachweiswahrscheinlichkeit werden von der
Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wässerige Lösungen von
Radionukliden mit genau bekanntem Aktivitätsgehalt vertrieben. Die Lösungen
enthalten einige Nuklide, deren Emmissionslinien etwa
gleichmäßig über den normalen Energiebereich von ca. 100 KeV bis 2 MeV verstreut liegen. Hiermit kann die
Nachweiswahrscheinlichkeit als Funktion der Energie bestimmt werden. In manchen
Fällen, z.B. zum Nachweis eines einzelnen Nuklids genügt die Kenntnis einer
einzigen Nachweiswahrscheinlichkeit bei einer bestimmten Energie. Für diese
Fälle stehen auch Kalibrierlösungen mit einem einzigen Radionuklid zur
Verfügung.
In
manchen Fällen und bei dem vorliegenden Versuch sollen (nahezu) punktförmige
Strahlenquellen hinsichtlich der Aktivität betsimmt
werden. Es ist hierbei nötig, die Nachweiswahrscheinlichkeiten mit
entsprechenden punktförmigen Kalibrierstrahlern zu ermitteln. Natürlich ist die
Nachweiswahrscheinlichkeit in diesen Fällen eine Funktion des Abstandes
zwischen Detektor und Strahlenquelle.
Die
Nachweiswahrscheinlichkeit nimmt mit steigender Energie stark ab. Bei relativ
niedrigen Energien können je nach Kristallgröße und -form
Nachweiswahrscheinlichkeiten von 20 bis fast 100 % erreicht werden, bei hohen
Energien bei ca. 1 MeV bis zu 20 % Prozent.
2. Theoretische Grundlagen.
Der
Zusammenhang zwischen der Zählrate in der
Gesamtabsorptionslinie eines Gammastrahlers, der Aktivität
der Strahlenquelle,
der Emmissionswahrscheinlichkeit
der betrachteten
Gammastrahlung und der Nachweiswahrscheinlichkeit
NWW
ergibt sich wie folgt:
Aus
dieser Gleichung wird üblicherweise mit Hilfe eines Kalibrierstrahlers
bekannter Aktivität und bekannter Emmissionswahrscheinlichkeit
über die Messung der Zählrate die Nachweiswahrscheinlichkeit bestimmt. In der
Praxis wird jedoch meist für eine bestimmte
Messzeit t die Zahl
der Impulse Z in der
Gesamtabsorptionslinie bestimmt. Aus obiger Gleichung ergibt sich dann:
Bei
der Ermittlung der Zahl der Impulse in der Gesamtabsorptionslinie muss fast
immer ein störender Untergrund berücksichtigt werden, der von der
Umgebungsstrahlung und/oder Comptonverteilungen
höherenergetischer Linien herrührt. Die ist nicht nur bei der Bestimmung der
Nachweiswahrscheinlichkeit, sondern auch bei der Messung unbekannter
Aktivitäten wichtig.
Abbildung
2 zeigt die grundsätzliche Aufstockung einer Linie auf einen Untergrund.
Meist genügt es, den Untergrund U als Funktion der Energie näherungsweise mit
einer linearen Funktion anzunähern. Die Nettozahl von Impulsen in der Linie
(Fläche F) ergibt sich dann als Differenz der Gesamtzahl der Impulse im
betrachteten Energiebereich (Integral I) minus der Impulszahl im trapezförmigen
Untergrund. Als Maß für die Güte der Linie wird oft das Linienkriterium LK angegeben:
Die
Statistische Schwankung des Untergrunds SU wird mit der Wurzel aus der Impulszahl im Untergrund - Trapez
bestimmt. Bei gut definierten Linien sind die Werte für LK größer als 3.
Der
Wert für die Nachweiswahrscheinlichkeit hängt nicht nur stark von der Energie
der Strahlung, sondern auch von der Geometrie der Anordnung Strahlenquelle - Detektor
ab. Natürlich sinkt die NWW bei zunehmender Entfernung der Strahlenquelle vom
Detektor ab. Bei der Versuchsdurchführung achte man daher sehr sorgfältig auf
gleiche Messgeometrien beim Kalibrieren und bei der eigentlichen
Aktivitätsbestimmung.
Bei
Radionukliden, die mehrere Emmissionslinien
aufweisen, müssen sehr oft zur genauen Aktivitätsbestimmung
Summationskorrekturen berücksichtigt werden. Werden zwei Photonen in einer
Kaskade praktisch gleichzeitig emittiert, kann es mit merklicher Wahrscheinlichkeit
zur gleichzeitigen Registrierung dieser zwei Photonen kommen, so dass ein
Impuls bei der Summe der Einzelenergien auftritt. Aus Gründen der Einfachheit
werden diese Effekte hier nicht berücksichtigt.
Eigenschaften
der Gaußschen Glockenkurve:
Die
bekannte Gaußsche Glockenkurve hat die Gleichung:
wobei
die Größen bedeuten:
Ymax = Maximalwert
m = Mittelwert
s =
Standardabweichung.
Aus
dieser Gleichung können folgende Beziehungen abgeleitet werden:
Halbwertsbreite =
2,335 * s
Zehntelwertsbreite =
4,292 * s
Hundertstelwertbreite =
6,070 * s
Tausendstelwertbreite = 7,434
* s
Mittelwert +/- 0.5 Halbwertsbreite ca. 76 % der Fläche
Mittelwert +/- 0.5 Zehntelwertsbreite ca. 97 % der Fläche
Mittelwert +/- 0.5 Hundertstelwertbreite ca. 99.7 %
der Fläche
Mittelwert +/- 0.5 Tausendstelwertbreite ca. 99.98 %
der Fläche
Die Gesamtfläche
kann mit Hilfe der Beziehung
Gesamtfläche
= 2.5506 * s * Ymax
berechnet
werden.
3. Aufgabenstellung.
Die
Aktivität punktförmiger Strahlenquellen ist durch Vergleich mit entsprechenden
Kalibrierstrahlern zu bestimmen. Dabei werden zunächst die
Nachweiswahrscheinlichkeiten (mit Fehler) und die Linienkriterien bestimmt. Je
nach Zeit sollten mindestens zwei Messungen bei verschiedenen Energien
durchgeführt werden.
3.1 Bestimmung
der Nachweiswahrscheinlichkeit.
Bei
bekannter Energiekalibrierung wird der Bereich um die Gesamtabsorptionslinie
eines Kalibrierstrahlers genau vermessen, um die Nachweiswahrscheinlichkeit zu
bestimmen.
3.2 Bestimmung
unbekannter Aktivitäten.
Anschließend
sind in gleicher Geometrie unbekannte Aktivitäten desselben Radionuklids zu
bestimmen.
3.3 Überprüfung
bei Vorhandensein eines Störstrahlers.
Um
die bei 3.1 und 3.2 ermittelten Werte zu überprüfen, werden dieselben Messungen
bei Vorhandensein eines höherenergetischen Störstrahlers nochmals ermittelt.
Sowohl Nachweiswahrscheinlichkeit als auch die Bestimmung der unbekannten
Aktivitäten sollten davon kaum beeinflusst werden, jedoch die Linienkriterien
und die Fehler.
4. Durchführung.
Es
werden die Szintillationsspektrometer (Versuch
1.7/1.8/1.9) benutzt. Zur Kalibrierung stehen Nuklide zur Verfügung, die
Emissionslinien mit genau bekannter Energie und Emissionswahrscheinlichkeit aufweisen,
z.B. Am-241, Cs-137 und Co-60.
Nuklid |
Gammaenergie keV |
Emissionswahr- scheinlichkeit p |
Linearer Schwächungskoeffizient |
Americium-241 |
59.5 |
0.3590 |
22.00
1/cm |
Cäsium-137 |
661.6 |
0.8512 |
0.28
1/cm |
Cobalt-60 |
1173.2 1332.5 |
0.9990 0.9998 |
0.19
1/cm 0.18
1/cm |
Zur
Bestimmung der Nachweiswahrscheinlichkeit werden die Gesamtabsorptionslinien
der Kalibrierstrahler genau vermessen. Dazu bringt man die Strahlenquellen in möglichst
genau reproduzierbare Lagen zum Detektor. (Die Strahlenenergie und die
Geometrie, d.h. der Abstand zwischen Quelle und Detektor bestimmen die
Nachweiswahrscheinlichkeit!) Dann wird die Verstärkung des Spektrometers
so eingestellt, daß die Gesamtabsorptionslinie zur
Ausmessung gut geeignet ist, d.h. weder zu schmal noch zu breit. Der gesamte
Bereich einer Linie vom linken Fuß über das Maximum zum rechten Fuß sollte mit
etwa 15 bis 20 Messungen lückenlos erfaßt werden.
Dazu muß die Schrittweite der nacheinanderfolgenden
Messungen genau der eingestellten Kanalbreite entsprechen! Man sagt: Der
Bereich der Gesamtabsorptionslinie wird durch ca. 20 Kanäle erfaßt.
Da
die Gesamtabsorptionslinien Gaußschen Glockenkurven entsprechen, kann man
aus der Gleichung der Glockenkurve ableiten, daß im
Bereich
Gammaenergie
+/- 0.5 Halbwertsbreite ca. 76% der Impulse
Gammaenergie
+/- 0.5 Zehntelwertsbreite ca. 97% der Impulse
Gammaenergie
+/- 0.5 Hundertstelwertbreite ca. 99.7% der Impulse
Gammaenergie
+/- 0.5 Tausendstelwertbreite ca. 99.98% der Impulse
liegen.
Die Erfassung des Energiebereichs von Gammaenergie +/- einer halben
Tausendstelwertbreite reicht also aus, die Nachweiswahrscheinlichkeit genügend
genau zu bestimmen.
Beispiel:
Die
Halbwertsbreite der Linie bei Cs-137 liegt z.B. bei 8 Prozent. Da die
Tausendstelwertbreite um einen Faktor 3,15 größer ist, muss bei Cäsium-137 im
Bereich 661,6 KeV +/- 0.5
3.15 0.08 661.6 KeV gemessen werden, also bei
661.6
KeV +/- 83.3 KeV
oder
von etwa 580 KeV bis 740 KeV. Ist der Messbereich des Spektrometers
(0 bis 100 Prozent) derart eingestellt, dass 100% der Energie 1000 KeV
entsprechen, muss also von ca. 58% bis ca. 74% gemessen werden. Dies ergibt bei
der Kanalbreite von 1% (oder absolut 10 KeV) 16 Messungen. Wird die Verstärkung
höher gestellt,. so dass ca. 800 KeV der Messbereichsgrenze
von 100% entsprechen, überdeckt die Linie den Bereich von 72% bis 92%,
erfordert also 20 Messungen. Hinweis: Kann bei einem Spektrometer die
Kanalbreite minimal auf 2% eingestellt werden, ist die Linie unbedingt
entsprechend dem Beispiel in den oberen Teil des Messbereichs zu verschieben.
Nach
der Aufnahme der Linie des Kalibrierstrahlers wird das Präparat mit der
unbekannten Aktivität möglichst genau an den Platz des Kalibrierstahlers
gebracht und entsprechend verfahren. Bei großen Aktivitätsunterschieden ist es
möglich, dass sich die Lage der Linie leicht verschiebt, da die Impulshöhen von
Szintillationsspektrometern etwas von der gesamten
verarbeiteten Zählrate abhängig sind. Bei wesentlich kleineren Zählraten muss u.U. die Messzeit pro Messpunkt verlängert werden.
5. Auswertung.
5.1
Die Größen Integral, Fläche und Untergrund werden wie folgt bestimmt: Das
Integral I wird als Summe der Impulse über alle Kanäle im gemessenem Bereich
der Linie berechnet. Der Untergrund U wird durch ein Trapez angenähert, und die
Fläche F aus der Differenz Integral minus Untergrund.
Die
Nachweiswahrscheinlichkeit NWW wird somit berechnet nach der Gleichung
Man
führe eine Fehlerrechnung durch unter der Annahme, dass die Aktivität A einen
relativen Fehler von 2% aufweist, während die Fehler von p und t vernachlässigt
werden können. Von merklichem Einfluss sind die statistischen Fehler von I und
U.
Hinweis:
Es ist hier nicht nötig, für die den Untergrund annähernde Gerade eine
Regressionsanalyse durchzuführen.
5.2
Oft liegen die Nachweiswahrscheinlichkeiten je nach Kristallgröße und
Entfernung Strahlenquelle - Detektor nur bei einigen Prozenten. Dies ist eine Folge
der Tatsache, dass einmal schon bei einem Abstand von einigen Zentimetern
zwischen Quelle und Detektor die meisten Photonen den Kristall nicht erreichen,
zum andern bei höheren Strahlenenergien viele Photonen den Kristall
durchdringen oder nur einen Teil ihrer Energie im Kristall abgeben (Comptonverteilung!). Man schätze für die gegebene
Versuchsdurchführung ab, welchen Einfluß die
Geometrie bringt und wie viele Photonen den Kristall ohne Wechselwirkung
durchdringen. Kristalldurchmesser und - dicke erfragen! Die Wahrscheinlichkeit
einer Wechselwirkung im Kristall kann mit dem exponentiellen Schwächungsgesetz
und dem totalen linearen Schwächungskoeffizienten von NaJ(Tl)
berechnet werden.
5.3
Zum Vergleich berechne man die Fläche F aus der Formel für die Standardabweichung
s und dem Maximum ymax.
5.4
Bei der Bestimmung der unbekannten Aktivität benutze man für die
Fehlerfortpflanzung den in 4.1 errechneten Fehler der
Nachweiswahrscheinlichkeit. Man schätze einen systematischen Fehler ab, der die
möglicherweise nicht exakt gleichen Abstände zwischen Kalibrierstrahler sowie
unbekannten Strahler und Detektor berücksichtigt.
6. Fragen:
1.
Warum wird die Aktivitätsbestimmung durch die möglicherweise zwischen einem
starken Kalibrierstrahler und einem schwachen Meßstrahler
vorhandene geringe Lageverschiebung der Gesamtabsorptionslinien nicht
wesentlich beeinflußt.
2.
Wie beeinflußt ein starker Untergrund, z.B. durch
einen Störstrahler, die Bestimmung unbekannter Aktivitäten.
3.
Wie könnte man mit NaJ(Tl)Szintillationszählern
die Nachweiswahrscheinlichkeiten erhöhen?