Physiklabor
Hinweise für
die Anfertigung der Versuchsberichte
Bestimmung
von
Messwert
und Unsicherheit
nach
DIN 1319-3
von
Ulrich Schrewe
WS 2002/03
Inhalt:
1. Vorbemerkungen
2. Bestimmung einzelner Messgrößen
2.1 Mittelwert, Standardabweichung,
Standardunsicherheit
2.2 Anwendung der Definitionen am Beispiel
Längenmessung
2.3 Darstellung der Messwertverteilung
2.4 Relative Unsicherheit, erweiterte
Unsicherheit, Vertrauensbereich
2.5 Das vollständig Messergebnis
2.6 Systematische
Unsicherheiten
3. Auswerteverfahren bei mehreren Eingangsgrößen
3.1 Korrelationen
3.2 Allgemeines verfahren
3.3 Verfahren bei unkorrelierten
Eingangsgrößen
3.4 Regel zur Vereinfachung der
Unsicherheitsermittlung
3.5 Anwendungsbeispiele
4. Zusammenfassung
Bei der Anfertigung der
Versuchsberichte sind einschlägige Normen und Richtlinien (z. B. DIN) zu
beachten. Wichtig ist die DIN 1319: "Grundlagen der Messtechnik", insbesondere der Teil 3:
"Auswertung
von Messungen einer einzelnen Messgröße; Messunsicherheit". Die
Neufassung des Jahres 1996, die eine ältere Version aus dem Jahr 1983 ersetzt,
basiert auf Empfehlungen des "Guide to the Expression of Uncertainty in
Measurements", abgekürzt "GUM",
der "ISO International Organization
for Standardization" aus dem Jahr 1993. Gegenüber früheren
Darstellungen (die z. B. auch noch in Lehrbüchern zu finden sind), wird im GUM eine etwas geänderte Terminologie und Philosophie zur der Ermittlung von Messunsicherheiten empfohlen.
Dies bedeutet keineswegs, dass alle mathematischen Beziehungen in älteren
Anleitungen "überholt" sind. Bei der Erstellung neuer
Versuchprotokolle ist es aber empfehlenswert, von Anfang an den aktuellen DIN
und GUM Richtlinien zu folgen.
Neue Terminologie: Die ältere Literatur verwendete Begriffe wie Messfehler, Fehlerrechnung, Fehlerfortpflanzung, usw. Im
Zusammenhang mit Messvorgängen ist der Begriff Fehler jedoch problematisch, denn das
allgemeine Sprachverständnis assoziiert mit dem Begriff Fehler, dass etwas falsch
ist. Das Abweichen eines Messergebnisses vom wahren Wert einer Messgröße, bedeutet aber nicht, dass die Messung falsch
war. Sie wird vielmehr durch die Tatsache verursacht, dass jeder Messvorgang
mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist. In Anlehnung an die
englischen Begriffe "error" und "uncertainty" verwendet man
neuerdings die entsprechenden deutschen Begriffe "Fehler" und "Unsicherheit". Fehler sollte dann verwendet werden, wenn bei
einer Messung etwas tatsächlich falsch gemacht worden ist (z. B. wenn bei einer
Längenmessung ein ungeeigneter Maßstab verwendet wurde, oder wenn bei der
Messung einer elektrischen Größe eine falsche Messgeräteeinstellung gewählt
wurde.) Normale nicht-falsche
Messungen besitzen immer eine gewisse Unsicherheit, die bei
mehreren Einzelmessungen zu einer Streuung der Messdaten führt. Das Messergebnis
sollte immer zusammen mit einer Unsicherheit angegeben werden, um die Qualität
eines Messverfahrens zu charakterisieren. In der DIN 1319-3 wird die Standard(mess)unsicherheit
definiert, die als ein "Kennwert" der Messung angesehen, und als quantitatives
Maß für die Unkenntnis der Messgröße angesehen werden kann. Sie
kennzeichnet einen Bereich, den man "vernünftigerweise dem wahren Wert
der Messgröße als Schätzwert zuweisen kann" (Beachten Sie die sehr
allgemeine Definition und die Bezeichnung "Kennwert". Das Messergebnis und die Standard(mess)unsicherheit
definieren zwar einen Wertebereich, der für den wahren Wert kennzeichnend ist, aber dieser Bereich hat eine
andere Bedeutung als die Vertrauensbereiche, die den wahren
Wert mit einer gewissen vorgegebenen Wahrscheinlichkeit, dem Vertrauensniveau, enthalten.) Nach DIN
1319-3 kann man alternativ zur Standard(mess)unsicherheit eine erweiterte
Messunsicherheit angeben. In diesem Fall ist aber zwingend
gefordert, dass der gewählte Erweiterungsfaktor zusammen mit dem Ergebnis
angegeben wird. Zusätzlich (nicht alternativ!) zur Standard(mess)unsicherheit oder erweiterten
Messunsicherheit kann ein Vertrauensbereich angegeben werden. Diese Angabe
ist besonders bei technischen Mess- oder Kontrollvorgängen sinnvoll. Bei der
Bestimmung von physikalischen Größen und Stoffkonstanten aber entbehrlich.
Falls eine Angabe zum Vertrauensbereiches gemacht wird, muss in jedem
Fall auch das zugehörige Vertrauensniveau mitgeteilt werden.
Ein vollständiges Messergebnis besteht immer
aus:
Messwert und (Standard- oder erweiterte ) Messunsicherheit.
Als zusätzlich Angaben sind möglich:
Vertrauensbereich zusammen mit Vertrauensniveau
Messunsicherheiten müssen
deutlich von Messabweichungen
unterschieden werden. Eine Abweichung
bezeichnet die Differenz zweier Werte, z. B die Differenz zwischen den Einzelmessungen
und dem Ergebnis einer Messreihe, dem Messwert, oder
zwischen dem Messwert
und dem wahren
Wert der Messgröße (den man ja oft gar nicht kennt). Messunsicherheiten
beschreiben aber nicht, wie weit der Messwert vom wahren Wert abweicht, vielmehr kann man (beim Vorliegen bestimmter
Voraussetzungen) mit Hilfe der Messunsicherheit eine Wahrscheinlichkeit für das
Vorhandensein einer Abweichung zwischen Messwert und wahrem Wert ableiten.
Die Begriffe Fehler und
Abweichung
sollten nicht dann verwendet werden, wenn eigentlich eine Messunsicherheit gemeint ist.
(Beispiele: Nicht Messfehler,
sondern Messunsicherheit,
nicht Standardfehler
sondern Standardmessunsicherheit.)
(Zusatz:
Bei der Durchsicht einer großen Zahl von Versuchsprotokollen zeigte sich, dass
ca. 50% der Studenten statt "Standard-" die Schreibweise
"Standart-" bevorzugen. Trotz dieses respektablen Abstimmungsergebnisses
ist nicht das "t", sondern ein "d"
Rechtschreibungsstandard.)
2. Bestimmung einzelner
Messgrößen
2.1 Mittelwert,
Standardabweichung, Standardunsicherheit
Das Auswerteverfahren für eine
einzelne Messgröße und die in der neuen DIN Norm verwendeten Begriffe (gelb
unterlegt) sollen am Beispiel
einer Längenmessung (Beispiel A.1: der DIN 1319-3) erläutert werden:
Ein Endmaß mit einer
Länge von 150,000 mm soll mit einem Längenmessgerät geprüft werden. Die physikalische Größe Y, der die Messung gilt, genannt Messgröße (Ergebnisgröße) ist die Länge L,
Y = L. Als wahren Wert der
Endmaßlänge betrachte man den angegeben Wert: Y = L = 150,000 mm. Das Ziel jeder Messung
ist es, ein Ergebnis zu gewinnen, das dem wahren
Wert Y der Messgröße möglichst nahe kommt. Man verwendet Messgeräte, auch Messeinrichtungen
genannt, die auf einem bestimmten Messverfahren
basieren, das auf das Meßobjekt (hier: das
Endmaß) angewendet wird.
Im vorliegenden Beispiel soll das
Längenmessgerät sorgfältig kalibriert sein und in dem relevanten Messbereich
eine bekannte systematische Messabweichung von X2 = - 0,06 mm besitzen. Zur
Vereinfachung soll zunächst die systematische Unsicherheit von X2 vernachlässigt werden. Die
gesuchte physikalische Größe Y ergibt sich dann durch Y = X1 – X2,
wobei die Eingangsgröße X1 die Größe bezeichnet, die sich zunächst bei
der Messdatenauswertung ergibt. Die Größe K = - X2 nennt man Korrektion und es gilt: Y = X1 + K (Ergebnisgröße ist gleich Eingangsgröße plus Korrektion).
Im Beispiel beträgt die Korrektion
des Längenmessgerätes K = + 0,06 mm.
Messgeräte, besonders in der Präzisionsmesstechnik, sind manchmal mit Korrektionstabellen ausgestattet.
Die geschilderte Vorüberlegung
bezüglich der Notwendigkeit einer Korrektion
bezeichnet man nach der Terminologie des GUM und der DIN 1319-3 als die "Aufstellung des Modells" zur Bestimmung einer einfachen
Messgröße.
(Bei den Messgeräten im Physiklabor
ist normalerweise keine Korrektion erforderlich.)
Anmerkungen zum Messverfahren:
Bei einer Längenmessung könnten als Messverfahren zum Beispiel 1. ein einfacher Maßstab, 2. ein Messschieber, 3. eine Präzisionsmessuhr oder 4. ein optisches Laserinterferometer verwendet werden. Die genannten Verfahren sind qualitativ sehr unterschiedlich. Deshalb werden sie wahrscheinlich unterschiedliche Messwerte liefern, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sich zufällig auch gleiche Zahlenwerte ergeben können. Die Streuung der Messdaten (und damit die Messunsicherheit) wird in den Beispielen 1 – 4 aber sehr unterschiedlich sein.
Eine Einzelmessung
allein wird im allgemeinen nicht die Messgröße
Y ergeben. Vielmehr treten unvermeidbar Messabweichungen
zwischen dem Ergebnis einer Einzelmessung vj
und dem wahren Wert der Messgröße Y auf. Man bestimmt
deshalb aus den Einzelmessungen vj einer Messung einen Schätzwert y,
wobei y dann als Näherung für die Messgröße Y angesehen wird, . Man geht dabei davon aus, dass Einzelmessungen bedingt durch rein zufällige Einflüsse um den wahren
Wert der Messgröße streuen. Verallgemeinernd betrachtet man Messwerte als Realisierung einer Zufallsgröße V,
die dann der Eingangsgröße X1 zugeordnet wird. Die
Verteilung der Zufallsgröße folgt einer Wahrscheinlichkeitsverteilung,
die a priori nicht bekannt ist und die im Prinzip durch eine (unendlich) große
Zahl von Messungen bestimmt werden müsste.
Tabelle 1: Die Einzelmesswerte
der Längenmessung (Beispiel A.1 der DIN 1319-3) sowie Zwischenwerte für weitere
Berechnungen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
Messung Nr. j |
Länge vj mm |
(vj - vm) mm |
(vj - vm)2
mm2 |
vj2 mm2 |
1 |
150,14 |
0,12 |
0,0144 |
22542,02 |
2 |
150,04 |
0,02 |
0,0004 |
22512,00 |
3 |
149,97 |
-0,05 |
0,0025 |
22491,00 |
4 |
150,08 |
0,06 |
0,0036 |
22524,01 |
5 |
149,93 |
-0,09 |
0,0081 |
22479,00 |
6 |
149,99 |
-0,03 |
0,0009 |
22497,00 |
7 |
150,13 |
0,11 |
0,0121 |
22539,02 |
8 |
150,09 |
0,07 |
0,0049 |
22527,01 |
9 |
149,89 |
-0,13 |
0,0169 |
22467,01 |
10 |
150,01 |
-0,01 |
0,0001 |
22503,00 |
11 |
149,99 |
-0,03 |
0,0009 |
22497,00 |
12 |
150,04 |
0,02 |
0,0004 |
22512,00 |
13 |
150,02 |
0,00 |
0,0000 |
22506,00 |
14 |
149,94 |
-0,08 |
0,0064 |
22482,00 |
15 |
150,19 |
0,17 |
0,0289 |
22557,04 |
16 |
149,93 |
-0,09 |
0,0081 |
22479,00 |
17 |
150,09 |
0,07 |
0,0049 |
22527,01 |
18 |
149,83 |
-0,19 |
0,0361 |
22449,03 |
19 |
150,03 |
0,01 |
0,0001 |
22509,00 |
20 |
150,07 |
0,05 |
0,0025 |
22521,00 |
|
|
|
|
|
Summen: |
3000,40 |
0,00 |
0,1522 |
450120,16 |
Mittelwert vm: |
150,02 |
|
|
|
In DIN 1319-3 werden Empfehlungen
für das praktische Vorgehen bei einer begrenzten Anzahl von Messungen gegeben:
Aus einer Reihe von Einzelmessungen vj (j = 1,2,3,......n)
wird zunächst der Schätzwert x1 der Eingangsgröße Xi
und eine Messunsicherheit u(x1) bestimmt. Die Einzelmessungen vj
sollen zufällig um die Messgröße Y streuen. Sehr oft kann die Häufigkeitsverteilung der Einzelmessungen
durch eine Normalverteilung nach Gauß beschrieben werden.
Nach der Wahrscheinlichkeitstheorie erhält man Gauß-Verteilungen bei rein
zufälligen Abweichungen zwischen Einzelmessung und Erwartungswert.
Nach den statistischen Gesetzen ist
bei einer unendlichen Anzahl von Einzelmessungen vj ist der Erwartungswert m einer
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Grenzwert n ® ¥ des arithmetischen Mittels:
(1)
Bei einer endlichen Anzahl
von Messungen verwendet man den arithmetischen Mittelwert
als Schätzwert für m und definiert
ihn deshalb auch als Schätzwert x1 der Eingangsgröße X1:
(2)
Die Standardabweichung
s (bzw. die Varianz s2, das
Quadrat der Standardabweichung) wird bei einer unendlichen Anzahl von
Messungen in folgender Form definiert:
(3)
Bei einer endlichen Anzahl
von Messungen ist aber nicht der Erwartungswert
m sondern nur dessen Schätzwert bekannt. Dies
führt zur Definition einer (empirischen) Standardabweichung s
in der Form:
(4)
Hinweis: Die beiden Ausdrücke in Gleichung (4) sind identisch. Der erste ist zweckmäßig, wenn bereits bekannt ist und anschließend s berechnet werden soll. Der zweite Ausdruck ist vorteilhaft, wenn man die Berechnung von und s mit einem Rechner ausführt möchte, und direkt bei der Eingabe von vj die Summe der Messwerte SM und die Summe der Quadrate der Messwerte SQ addieren kann. Es erspart eine doppelte Eingabe der Messwerte.
Bestätigung für die Identität der Ausdrücke in Gleichung (4):
(5)
Mit und ergibt sich: und (6)
Die (empirische) Standardabweichung s charakterisiert die Abweichung,
die Einzelmessungen vom Schätzwert haben können. Da
jede endliche Menge von Messwerten aber nur die Realisierungen einer
Zufallsgröße darstellt (eine zweite unabhängige Messung liefert sicher andere
Messwerte) kann auch vom Erwartungswert m und die empirische Standardabweichung s von der Standardabweichung s der Wahrscheinlichkeitsverteilung
abweichen.
Die Standard(mess)unsicherheit
u(x1) ist definiert
als die (empirische) Standardabweichung des Mittelwertes
:
(7)
2.2 Anwendung der Definitionen am Beispiel
Längenmessung
2.2.1 Schätzwert x1 der
Eingangsgröße X1 als Mittelwert der Messwerte:
(8)
2.2.2 (Empirische)
Standardabweichung s der Messwerte:
(9)
(Empirische) Standardabweichung alternativ:
(10)
(Der
Unterschied in der letzten Stelle beruht auf Rundungsfehlern.)
2.2.3 Standard(mess)unsicherheit u(x1)
des Schätzwertes:
(11)
Hinweis: Bei der Verwendung von EXCEL stehen für die Berechnung von und s die Funktionen "MITTELWERT" und "STABW" zur Verfügung. Um u(x1) zu berechnen, muss der mit der STABW-Funktion berechnete Werte durch dividiert werden.
2.3 Darstellung
der Messwertverteilung
In der Figur 1 wurden die
Häufigkeitsverteilung der Messwerte aus Tabelle 1 und die
Gaußsche-Normalverteilung graphisch aufgetragen, wobei entsprechend üblicher
Konvention, das Integral der Verteilungen auf 1 normiert wurde.
Zur Erläuterung: Die rote Treppenkurve zeigt die Wahrscheinlichkeit pro Längenintervall
mit einem . Die Werte wurden über einen
Bereich von gemittelt.
Die schwarze glatte Kurve zeigt zum
Vergleich die Normalverteilung nach Gauß,
wobei der Erwartungswert m durch den Mittelwert der Messwerte und die Standardabweichung
s durch die empirische
Standardabweichung ersetzt wurden:
(12)
Man erkennt, dass die
experimentelle Verteilung recht gut durch die Gaußsche-Normalverteilung
beschrieben wird.
Fig. 1. Wahrscheinlichkeitsverteilung
der Messwerte pro Längenintervall Dl = 1µm. Die
Integrale der Verteilungen sind auf den Wert 1 normiert.
Mittelwert:
Standardunsicherheit
des Mittelwertes:
Standardabweichung:
Normalverteilung
nach Gauss:
Verteilung
der Messwerte gemittelt über eine Intervallbreite von 50 µm.
Normierungvon
(dw/dl):
Interpretation: Die (empirische) Standardabweichung s charakterisiert die Streuung der Einzelmessungen in Bezug auf den Schätzwert x1, ( ~ wahren Messwertes X1). Alle Messreihen, die mit der selben Messeinrichtung durchgeführt werden, sollten deshalb (bis auf zufällige Abweichungen) ähnliche Werte für s ergeben. Der Wert von s hängt insbesondere nicht von der Anzahl n der Messungen ab (s ändert sich, wenn andere, z. B. ein genauere oder ungenauere Messeinrichtungen gewählt werden). Die Unsicherheit des Mittelwertes, die Standard(mess)unsicherheit, u(x1) wird kleiner, wenn die Anzahl der Messungen erhöht wird. Allerdings ändert sich u(x1) nur proportional zu , d. h. man muss viermal so häufig messen, um die Standard(mess)unsicherheit des Mittelwertes zu halbieren.
2.4 Relative Unsicherheit, erweiterte
Unsicherheit, Vertrauensbereich
Relative Messunsicherheit: Unter der relativen Messunsicherheit versteht man:
, (13)
wenn ist. Der Wert von ist also immer positiv und wird oft in Prozent oder Promille angegeben.
Erweiterte Messunsicherheit: Bei Messwertverteilung, die durch eine Gaußsche-Normalverteilung mit den Parametern µ und s
beschrieben werden kann, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis
einer zusätzlichen Einzelmessung innerhalb
des Intervalls liegt, 66%. Bei einer
endlichen (aber sehr großen!) Anzahl von Messungen gilt dies näherungsweise
auch für das aus den Schätzwerten gebildete Intervall . Die Standardabweichung des Mittelwerte hat folgende Bedeutung: Jede weitere Messreihe mit einer
vergleichbaren Anzahl von Einzelmessungen ergibt als einen neuen Schätzwert ( = Mittelwert der zusätzlichen
Messreihe). Die Werte liegen mit einer Wahrscheinlichkeit von 66% innerhalb des
Intervalls . Es folgt, dass auch der (unbekannten) wahren Wert der Messgröße mit entsprechender Wahrscheinlichkeit in
diesem Intervall liegen muss. Bei vielen praktischen Messproblemen, z. B.
industriellen Kontrollprozessen oder der Angabe von Prüfergebnissen, bevorzugt
man größere Intervallbreiten, die dann den wahren
Wert mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als 66% enthalten. In der DIN
1319 wird hierfür die Verwendung eines Erweiterungsfaktors k empfohlen, der das Intervall definiert. Man kann
unter Annahme einer Gauß-Verteilung und Vorgabe einer beliebigen
Wahrscheinlichkeit P
(0% < P < 100%)
mit der den wahren Wert enthalten soll, den
entsprechenden Faktor k berechnen.
Von besonderer praktischer Bedeutung ist der Erweiterungsfaktor k = 2. Das Intervall enthält den wahren Wert mit einer Wahrscheinlichkeit
von 95%.
Hinweis: Verwendet man k > 1,also z. B. k = 2, so nennt man die „mit dem Erweiterungsfaktor k (z. B. zwei) versehenen Standard(mess)unsicherheit“.
(In der früherer Nomenklatur
entsprach dies einem „zwei Sigma-Fehler“.)
Vertrauensbereiche: Die
angegeben Wahrscheinlichkeitswerte von 66% für k = 1 bzw. 95% für k = 2
gelten exakt nur Vorliegen der durch die Parameter µ und s
beschriebene Gaußschen-Normalverteilung. Die Parameter µ und s sind aber,
wie oben diskutiert, üblicherweise nicht bekannt sind, sondern werden durch und abgeschätzt, wobei und s mit Hilfe der Gleichungen (2), (4)
empirisch aus den Einzelmesswerten bestimmt werden. Die Schätzungen besitzen
Unsicherheiten, die umso größer sind, je weniger Einzelmessungen vorliegen.
Formal kann man und s (und damit auch u(x1)) schon
aus zwei Einzelmessungen berechnen, aber die Schätzungen und werden bei sonst
gleichen Bedingungen genauer sein, wenn mehr Einzelmessungen vorliegen. Die
bisherigen Angaben über die Wahrscheinlichkeit den wahren Wert in einem durch und s oder und k×s gegebenem Intervall zu finden, gelten nur für viele
("unendlich viele") Einzelmessungen. Bei einer endlichen Anzahl n von Einzelmessungen ist eine Korrektur
erforderlich.
t-Faktor Korrektur: Nach DIN
1319-3 kann mit Hilfe eines Korrektionsfaktors t, der auf der Basis der Student- oder t-Verteilung bei einer endlichen Anzahl von n = 2,3.... Einzelmessungen und Vorgabe
eines bestimmten Vertrauensniveaus (z. B. 95%) berechnet werden kann, das
Vertrauensintervalls angeben werden. Für
ein 95% Vertrauensniveau sind einige t-Faktoren
in der folgenden Tabelle 2 aufgeführt. Es zeigt sich, dass für praktische
Zwecke schon n > 10 als
ausreichend große Anzahl angesehen werden kann.
Tabelle 2: t-Faktoren für ein Vertrauensniveau
von 95%
n = |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
9 |
10 |
12 |
20 |
30 |
50 |
100 |
t = |
12,71 |
4,30 |
3,18 |
2,78 |
2,57 |
2,45 |
2,36 |
2,31 |
2,26 |
2,20 |
2,09 |
2,05 |
2,01 |
1,98 |
Hinweis: Man beachte die unterschiedliche Bedeutung des Erweiterungsfaktors k und des Korrektionsfaktors t.
· k bezeichnet eine Erweiterung der Standard(mess)unsicherheit und kann unabhängig von der Anzahl der Einzelmessungen vom Anwender definiert werden. Man muss immer den Wert von k zusammen mit der erweiterten Messunsicherheit angeben.
· t ist ein beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Gaußsche Normalverteilung der Zufallsvariablen) ein auf die Standard(mess)unsicherheit anzuwendender Faktor, der bei endlicher Anzahl von Einzelmessungen und Vorgabe des Vertrauensniveaus die wahre Größe des Vertrauensintervall ergibt. Der t-Faktor kann der Tabelle 1 der DIN 1319-3 (oder obigem Auszug) entnommen werden. Im Zusammenhang mit der Angabe eines Vertrauensintervall muss immer das Vertrauensniveau angegeben werden. Eine Angabe des t-Faktors ist entbehrlich.
Beispiel Längenmessung: Der Schätzwert der Eingangsgröße betrug . Die (empirische) Standardabweichung und die Standard(mess)unsicherheit des Mittelwertes . Die Ergebnisgröße y erhält man durch Anwendung der Korrektion : . Die relative Messunsicherheit
beträgt: . Die mit dem Erweiterungsfaktor
k = 2 versehen Messunsicherheit ist . Bei 20 Messwerten und einem Vertrauensniveau von 95% ist
der t-Faktor 2,09 (siehe Tabelle 2), so
dass ergibt. Die Vertrauensgrenzen für
das Vertrauensniveau von 95% sind und .
2.5 Das vollständige Messergebnis
Das vollständige
Messergebnis soll nach DIN 1319-3 in einer der folgenden
Schreibweisen angegeben werden:
1. Beispiel: 150,08 mm, 0,02 mm
2. Beispiel: 150,08 mm, 0,014%
3. Y = y (u(y)) Beispiel: L = 150,08 mm (0,02 mm)
4. Beispiel: L = (150,08 mm ± 0,02 mm) =
(150,08 ± 0,02) mm
5. Beispiel: L = 150,08 mm (1 ± 1,4 10-4)
Hinweis: In Versuchsprotokollen kann eine dieser
empfohlen Schreibweisen verwendet werden. Sie sollte im gesamten Protokoll einheitlich
sein. Eigenkreationen sind nicht sinnvoll. Falls Sie einen Erweiterungsfaktor k
verwenden, empfiehlt es sich, diesen erst zum Schluss, d. h. bei der Angabe des
Endergebnisses einer Messgröße zu verwenden. Riskant ist es, wenn bei
verschiedenen Eingangsgrößen unterschiedliche Erweiterungsfaktoren verwendet
werden. Bei der Bestimmung der Gesamtunsicherheit einer Ergenisgröße (siehe
unten) dürfen nämlich nur die Standard(mess)unsichheiten der Eingangsgrößen
verwendet werden.
Einschränkungen: Die beschriebe Bestimmung der Standardabweichung aus Messwerten ist nicht immer sinnvoll. Hat man zum Beispiel eine sehr gut bekannte Messeinrichtung (z. B. bei einer industrielle Prozesskontrolle), deren Standardabweichung s0 aus einer Vielzahl von Vormessungen bekannt ist, dann empfiehlt die DIN 1319-3 diese zu verwenden und die Standard(mess)unsicherheit einer Stichprobe wie folgt zu berechnen .
Vorüberlegungen: Es empfiehlt sich, schon vor und während der Durchführung einer Messung die Auswirkungen auf die Messunsicherheit zu berücksichtigen. Bei der Festlegung der Anzahl der Einzelmessungen empfiehlt sich ein Kompromiss im Hinblick Messaufwand und angestrebter Genauigkeit. Bei einer sehr kleinen Zahl von Messungen ist der t-Faktor, der bei der Angabe des Vertrauensintervalls benötigt wird, sehr groß. Er beträgt für das Vertrauensniveau von 95% z. B. bei zwei Einzelmessungen 12,7. Einige weitere Messungen, z. B. schon fünf oder sechs genügen, um einen deutlich kleineren t-Faktor von ~ 2 zu erhalten. Falsch ist es (aber gelegentlich in Versuchsprotokollen zu finden und besonders bei wenigen Messwerten auffällig) statt der Unsicherheiten oder den Vertrauensbereich anzugeben.
2.6 Systematische Unsicherheiten
Systematische Unsicherheiten: Die systematische Messabweichung besteht nach der Terminologie der DIN-1319 aus einem bekannten und aus einem unbekannten Anteil. Die bekannte systematische Messabweichung führt zu einer Korrektion K, die im allgemeinen auch eine gewisse Untersicherheit besitzt. Diese Unsicherheit ist auch dann vorhanden, wenn K = 0 ist. Die Unsicherheit der Korrektion entspricht einer unbekannten systematischen Unsicherheit. Im Beispiel Längenmessung wurde sie zur Vereinfachung vernachlässigt. Auch in den Versuchen des Physiklabors kann man in sehr vielen Fällen auf die Berücksichtigung unbekannter systematischer Unsicherheiten verzichten (nicht zuletzt, weil man sie, der Name sagt es, nicht oder nur schwer quantifiziert werden können). Allerdings sollte man dann, wenn keine zufällige Messabweichung vorliegt (z. B. bei Verwendung von Messgeräten mit Digitalanzeige, oder im Versuch "Dichtebestimmung mit der Mohrschen Waage") den Einfluss systematischer Unsicherheiten in Betracht ziehen. Es existiert kein allgemeingültiges Konzept, aber einfache Abschätzungen können nützlich sein. Führt eine systematische Messabweichung, über deren Ursache nichts weiter bekannt sein muss, zu den Messwerten a oder b (z. B. wenn die letzte Stelle einer Digitalanzeige zwischen zwei Ziffern hin und her springt, oder wenn die Mohrsche Waage bei zwei benachbarten Drehmomenteinstellung "fast" Gleichgewicht anzeigt) so sollte nach Empfehlung der DIN Norm die systematische Abweichung nach:
(13)
berechnet werden und als deren Unsicherheit
(14)
verwendet werden. Die Unsicherheit der Ergebnisgröße errechnet sich dann nach der Beziehung:
. (15)
3. Auswertungsverfahren
bei mehreren Eingangsgrößen
3.1 Korrelationen
In vielen Fällen muss man zur Bestimmung einer physikalischen Größe zunächst mehrere Eingangsgrößen messen, aus denen anschließend bei der Auswertung die gesuchte Größe, die Ergebnisgröße, berechnet wird.
Beispiele:
Rechteckfläche: Zur Bestimmung einer Rechteckfläche wird im allgemeinen nicht die Fläche direkt, sondern zunächst die Länge der beiden Seiten a und b gemessen. Die Fläche ergibt sich als Produkt .
Umfang: Zur Bestimmung des Umfangs U des Rechtecks kann man ebenfalls zunächst die Seitenlängen a und b messen und U durch berechnen.
Eigen(kreis)frequenz: Die Eigen(kreis)frequenz w0 eines ungedämpften Drehpendels kann aus dem Massenträgheitsmoment J und der Winkelrichtgröße D* mit Hilfe der Beziehung berechnet werden.
In DIN 1319-3 wird das Auswerteverfahren für den allgemeinen Fall sehr ausführlich (aber sehr abstrakt) behandelt. Das Verfahren ist mathematisch aufwendig, weil man im allgemeinen sowohl korrelierte als auch unkorrelierte Beträge berücksichtigen muss, wie in den folgenden Beispielen verdeutlicht wird:
Bei der Messung der Seitenlängen a und b mit Hilfe einer Messeinrichtung (z. B. Vergleichsmaßstab) treten jeweils zufällige Messabweichungen auf, aus denen nach dem oben beschriebenen Verfahren die (zufälligen) Unsicherheiten u(a) und u(b) berechnet werden. Die zufälligen Abweichungen der Einzelmessungen sind unabhängig voneinander. Man nennt sie deshalb unkorreliert. Verwendet man aber bei den Messungen von a und b aber die selbe Messeinrichtung mit einer systematischen Unsicherheit (die z. B. einer Kalibrierunsicherheit des Maßstabes entspricht) dann sind die systematischen Unsicherheitsbeiträge als korreliert zu betrachten. Im allgemeinen hat man also als Eingangsdaten sowohl mit korrelierter als auch unkorrelierter Unsicherheitsbeiträgen vorliegen, die man dann mathematisch korrekt zur Gesamtunsicherheit der Ergebnisgröße zusammenfassen muss.
Vorüberlegungen an einem Beispiel: Zur Bestimmung der Eigen(kreis)frequenz eines Drehpendels im Physiklabor ermittelt man die Winkelrichtgröße D* und das Massenträgheitsmoment J in unabhängigen Messungen. Zunächst wird mit einem Federkraftmesser die Kraft F zur Erzeugung eines Drehmoments M an einem Hebelarm l gemessen, berechnet, und dann die Winkelrichtgröße D* als Quotient aus Drehmoment M und der beobachteten Winkelauslenkung j durch bestimmt. Das Trägheitsmoment J hängt von der Verteilung der Massenelemente des Körpers bezüglich der Drehachse ab. Bei einer Scheibe mit Radius R und Gesamtmasse m gilt bezüglich einer Drehachse, die durch den Scheibenmittelpunkt geht und senkrecht auf der Scheibe steht, . Die Bestimmungen von Massenträgheitsmoment J und Winkelrichtgröße D* basieren also auf Wägung, Längenmessung, Kraftmessung und Winkelmessung. Hinsichtlich der Anteile von korrelierten und unkorrelierten Unsicherheitskomponenten zeigt eine Vorüberlegung: Die Messverfahren sind so unterschiedlich, dass sie in guter Näherung als voneinander unabhängig, also als unkorreliert, betrachtet werden können. Korrelierten Anteile in der Unsicherheit von können vernachlässigt werden.
Anmerkung: Bei
Vorüberlegungen bezüglich korrelierter und unkorrelierter Anteile
muss natürlich immer der angestrebte Genauigkeitsgrad berücksichtigt werden,
bevor begründete Entscheidungen über eine Vernachlässigungen getroffen werden
können. Im vorliegenden Beispiel könnten durchaus Korrelationen zwischen der
Längenmessung des Hebelarms (Bestimmung von M
und dann D*) und der des
Scheibendurchmessers (Bestimmung von J)
vorliegen.
Unter der Vorraussetzung, dass eine Gesamtmessunsicherheit nur unkorrelierte Anteile enthält, ergeben sich erhebliche mathematische Vereinfachungen. Die "praktische Erfahrung" zeigt, dass selbst dann, wenn Korrelationen vorhanden sind, der Einfluss auf die Gesamtunsicherheit des Endergebnisses normalerweise klein ist. Bei den Versuchen im Physiklabor, kann man deshalb die Unsicherheiten der Ergebnisgröße immer unter der Annahme vollständig unkorrelierter Eingangsgrößen berechnen.
3.2 Allgemeines
Verfahren
Nach DIN 1319-3 besteht der erste Schritt jedes Auswertungsverfahrens in der Aufstellung eines Modells, das den mathematischen Zusammenhang zwischen den Eingangsgrößen und der Ergebnisgrößen enthält. In den oben genannten Beispielen sind Rechteckfläche F, Umfang U und Eigenfrequenz w0 die Ergebnisgrößen, die Seiten a und b, die Winkelrichtgröße D* und das Massenträgheitsmoment J die Eingangsgrößen und die Beziehungen , und stellen die Modelle dar.
In einer mathematischen Terminologie kann eine Ergebnisgröße Y bzw. deren Schätzwert y als Funktion f der Variablen xi, i = 1,............m beschrieben werden:
(16)
wobei X1, X2, ....Xm die Eingangsgrößen, x1, x2,...xm die entsprechenden Schätzwerte der Eingangsgrößen darstellen.
Für die Unsicherheit der Ergebnisgröße gilt (hier: die allgemeine Gleichung für korrelierte und unkorrelierte Eingangsgrößen):
(17)
wobei und die partiellen Ableitungen der Funktion f nach den Variablen xi und xk sind und u(xi,xk) die den Variablen xi und xk zugeordnete Unsicherheitskomponente darstellt. Die Komponenten u(xi,xk) können sowohl korrelierte als auch unkorrelierte Unsicherheitsbeiträge enthalten.
Anmerkung: Die Menge der u(xi,xk) Komponenten stellt eine symmetrische Matrix mit Zeilen und Spalten dar (Unsicherheitsmatrix).
Die Komponenten u(xi,xk) können als Produkt aus den individuellen
Unsicherheiten u(xi) und u(xk) und einem Korrelationskoeffizienten r(xi,xk) ausgedrückt werden: . Die r(xi,xk) Werte liegen zwischen 0 und 1. Sie beschreiben die
Wahrscheinlichkeit, mit der die Eingangsgrößen xi mit der Eingangsgröße xk korreliert ist, wobei der Wert 0 bei vollständig unkorrelierten und der Wert 1 bei
vollständig korrelierten Eingangsgrößen angenommen wird. Aus der
Definition folgt deshalb unmittelbar, dass (der Korrelationskoeffzient
bleibt beim Vertauschen der Variablen gleich) und (eine Variable ist mit
sich selbst immer maximal korreliert) gilt. Die Korrelationskoeffizienten
bilden die Korrelationsmatrix, die ebenfalls aus m Zeilen und m Spalten
gebildet wird, und wegen der Nebenbedingung spiegelsymmetrisch
ist. Die Elemente in der Hauptdiagonalen haben immer den Wert 1. In der
Hauptdiagonalen der Unsicherheitsmatrix
stehen deshalb die Quadrate der Unsicherheiten der
Eingangsgrößen. Diese werden durch , d. h. durch die empirischen Varianzen
abgeschätzt. Die Komponenten u(xi,xk) mit , also alle Matrixelemente, die nicht auf der Hauptdiagonalen
stehen, nennt man Kovarianzen. Die vollständige
Aufstellung der Unsicherheitsmatrix im Fall einer
vorhandener Korrelationen zwischen den Eingangsgrößen ist schwierig und
erfordert z. B. Kenntnis oder Annahmen über die Korrelationskoeffizienten . Wenn alle Eingangsgrößen dagegen unkorreliert
sind, vereinfacht sich die Berechnung der Unsicherheit erheblich, da dann alle Kovarianzen verschwinden und nur noch die Varianzen übrig bleiben..
3.3 Verfahren bei unkorrelierten Eingangsgrößen
Bei unkorrelierten Eingangsgrößen wird das Quadrat der Unsicherheit der Ergebnisgröße durch die folgende Gleichung gegeben:
(18)
Gleichung (18) stellt die Grundgleichung für die Ermittlung von Gesamtunsicherheiten dar, sofern die Eingangsgrößen als unkorreliert betrachtet werden können (z. B. im Physiklabor), und ist für alle Modellfunktionen f anwendbar, sofern diese differenzierbar sind. Zunächst sollen die Unsicherheiten der Ergebnisgrößen in den Beispielen: Flächen- Umfang und Kreisfrequenzbestimmung mit Hilfe der Beziehung (18) ermittelt werden. Die Berechnung kann im Einzelfall umfangreich sein. Deshalb werden im Abschnitt 3.4. einige einfache Regeln vorgestellt, die es gestatten, für den größten Teil der in der Praxis relevanten Modellfunktionen Unsicherheitsberechnungen stark zu vereinfachen.
Berechnung
von Gesamtunsicherheiten mit Hilfe der Gleichung (18):
Beispiel Flächenbestimmung: Das Modell lautet: . Durch Längenmessung der Seitenlängen und wird die Unsicherheit der Eingangsgrößen, u(a) und u(b), bestimmt. Nach Gleichung (19) ist das Quadrat der Standard(mess)unsicherheit der Fläche F gleich:
(19)
Beispiel Umfangsbestimmung: Das Modell lautet: . Die u(a) und u(b) sollen wieder die Standard(mess)unsicherheiten der Eingangsgrößen sein. Nach Gleichung (19) ist das Quadrat der Standard(mess)unsicherheit des Umfangs U gleich:
(20)
Beispiel Eigen(kreis)frequenzbestimmung: Das Modell lautet: . Die u(D*) und u(J) sind die Standard(mess)unsicherheiten der Eingangsgrößen.
(21)
Das letzten Beispiel zeigt, dass die direkte Berechnungen mit Hilfe der Gleichung (18) umfangreich sein kann. Man kann aber mit Hilfe einiger einfacher Regeln für sehr viele Modellfunktion die Unsicherheit der Ergebnisgröße erheblich einfacher bestimmen:
3.4 Regeln zur
Vereinfachung der Unsicherheitsermittlung
Regel 1 Ist die Ergebnisgröße eine Summe von m Eingangsgrößen, so ist das Quadrat der Unsicherheit von f die Summe der Quadrate der Unsicherheiten der Eingangsgrößen xi.
(22)
Beweis: Bei partiellen Ableitungen nach xi werden alle Variablen xj als konstant angesehen. Es gilt also:
(23)
(24)
Regel 2 Ist die Ergebnisgröße eine Summe von m Eingangsgrößen mit den konstanten Koeffizienten ai, so ist das Quadrat der Unsicherheit von f die Summe der Quadrate der Unsicherheiten der Eingangsgrößen multipliziert mit .
(25)
Beweis: Analog zum Beweis 1 gilt:
(26)
(27)
Regel 3 Ist die Ergebnisgröße die Differenz zweier Eingangsgrößen x1 und x2 mit den konstanten Koeffizienten a1 und a2, , so ist das Quadrat der Unsicherheit von f die Summe der Quadrate der Unsicherheiten der Eingangsgrößen multipliziert mit .
(28)
Beweis: Es
gilt: . Wenden Sie Regel 2
an.
Regel 4 Ist die Ergebnisgröße ein Produkt von m Eingangsgrößen xi, so ist das Quadrat der relativen Unsicherheit von f, ,die Summe der Quadrate der relativen Unsicherheiten der Eingangsgrößen .
(29)
Beweis: Bei einer partiellen Ableitung nach xi werden alle Variablen xj als konstant angesehen. Es gilt also:
(30)
und es folgt:
(31)
Regel 5 Ist die Ergebnisgröße die k-te Potenz der Eingangsgröße x1, dann ist die relative Unsicherheit von f gleich dem Produkt von k und der relativen Unsicherheit von x1.
(32)
Beweis:
(33)
Regel 6 Ist die Ergebnisgröße f der Quotient der Eingangsgrößen x1 und x2, , dann ist das Quadrat der relativen Unsicherheit von f gleich der Summe der relative Unsicherheiten der Eingangsgrößen x1 und x2.
(34)
Beweis: Man schreibe f in der Form: und wende Regel 4 und Regel 5 an.
Regel 7 Ist die Ergebnisgröße eine Exponentialfunktion mit der Eingangsgröße x1 im Exponenten, ,dann ist die relative Unsicherheit von f gleich der (absoluten) Unsicherheit der Eingangsgröße x1.
(35)
Beweis:
(36)
3.5 Anwendungsbeispiele
Flächenbestimmung: Die Modellfunktion lautet: . Mit Regel 4 folgt direkt:
(37)
Umfangsbestimmung: Die Modellfunktion lautet: . Mit Regel 2 folgt:
(38)
Bestimmung der Eigen(kreis)frequenz: Die Modellfunktion für (unter Verwendung des Tragheitsmomentes einer Scheibe) verwendet lautet:
. Mit Regel 4 und Regel 5 folgt:
(39)
Weiter Beispiele: Die Modellfunktion soll lauten: . Man ersetze zunächst den Nenner durch :
(40)
Es folgt nach Regel 5 und Regel 6:
(41)
Mit Regel 2 erhält man:
(42)
und durch Kombination von (41) und (42):
(43)
4. Zusammenfassung:
1. Besteht eine Messreihe aus mehr als einer Einzelmessung, so ermittele man den Schätzwert x1 der Eingangsgröße X1 als arithmetisches Mittel der Einzelmessungen vj:
2. Man berechne die Standard(mess)unsicherheit u(x1) mit Hilfe der Beziehung:
3. Prüfen Sie, ob die Eingangsgröße einer Korrektion bedarf und berechnen Sie die Ergebnisgröße y durch:
4. Kann eine systematische Unsicherheit u(x2) angegeben und abgeschätzt werden, ergibt sich die Unsicherheit der Ergebnisgröße durch:
5. Geben Sie für alle im Versuch gemessenen Größen den Messwert zusammen mit der Messunsicherheit an. Verwenden Sie (nur) eine der folgenden Schreibweisen:
1. Beispiel: 150,08 mm, 0,02 mm
2. Beispiel: 150,08 mm, 0,014%
3. Y = y (u(y)) Beispiel: L = 150,08 mm (0,02 mm)
4. Beispiel: L = (150,08 mm ± 0,02 mm) =
= (150,08 ± 0,02) mm
5. Beispiel: L = 150,08 mm (1 ± 1,4 10-4)
Die Messunsicherheit kann entweder als Standard(mess)unsicherheit u(y) oder als eine mit einem Erweiterungsfaktor k > 1 versehen erweiterte Messunsicherheit angegeben werde. Falls keine Angaben über die Messunsicherheit gemacht werden, muss die Standard(mess)unsicherheit angegeben werden. Verwenden Sie einen Erweiterungsfaktor k, so muss dieser benannt werden.
6. Man prüfe, ob die zusätzliche Angabe eines Vertrauensintervalls sinnvoll ist. Berechnen Sie das Vertrauensintervall zu einem von Ihnen gewählten Vertrauensniveau (Empfehlung: 95%) mit Hilfe eines t-Faktors und geben Sie das Vertrauensintervall immer zusammen mit dem Vertrauensniveau an.
7. Falls eine Ergebnisgröße y aus mehreren Einzelmessgrößen x1, x2,..........xm zusammengesetzt ist, stellen Sie möglichst schon vor Messbeginn die Modellfunktion auf. Überlegen Sie anhand der Modellfunktion die Anforderungen bezüglich der Genauigkeit der verschiedenen Einzelgrößen. Berechnen Sie bei der Auswertung die Unsicherheit der Ergebnisgröße unter der vereinfachten Annahme unkorrelierter Eingangsgrößen nach der Beziehung:
oder verwenden Sie (falls möglich) die in Abschnitt 3.3. beschriebenen Regeln.
8. Die Begriffe Mittelwert, Standard(mess)unsicherheit, Abweichung, erweiterte Unsicherheit, Vertrauensintervall, Vertrauensniveau, Vertrauensgrenzen dürfen nur mit den in der DIN 1391-3 gegebenen Definitionen verwendet werden. Eine Wiederholung der Definitionsgleichungen im Versuchsprotokoll ist überflüssig. (Sollten Sie ältere Versuchsprotokolle als "Vorlage" verwenden, achten Sie daraus, dass in ihrem Protokoll die aktuellen Bezeichnungen gefordert sind.)